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Fränkisches Wörterbuch (WBF)

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1927–1940:
Gesamtbayerische Erhebungen mit den „Mundartgeographischen Fragebögen“

Nach dem ersten Weltkrieg wurde Friedrich Lüers Redaktor des Bayerischen Wörterbuchs. Er setzte sich besonders für das Forschungsziel der Dialektgeographie ein. Auf diesem Gebiet war man in Wien schon weit fortgeschritten, es lagen 1924 bereits 20 laut- und wortgeographische Karten vor.

Gemeinsam mit dem Österreicher Eberhard Kranzmayer unternahm Lüers ab 1927 sogenannte „Kundfahrten“ im Arbeitsgebiet des Bayerischen Wörterbuchs. Die beiden führten direkte Befragungen von Gewährspersonen durch und erzielten gute Ergebnisse. Die direkte Exploration ist zwar eine sehr effiziente Forschungsmethode, andererseits aber teuer und personalintensiv. Da auf Dauer die Mittel fehlten, musste man die Masse des für die Dialektgeographie benötigten Materials eben doch postalisch erheben. Mit den wenigen Korrespondenten, die in den 1920er Jahren noch auf die „Systematischen Fragebögen“ antworteten, war das nicht zu bewerkstelligen. Das Ortsnetz, das auch in Österreich im Grunde zu weitmaschig war, musste wesentlich dichter werden. Um in vertretbarer Zeit zum Ziel zu kommen, musste die Zahl der abgefragten Wörter und Strukturen je Befragungsaktion erhöht werden. Aus diesen Erwägungen entstand der Typus der „Mundartgeographischen Fragebögen“. Die insgesamt 291 versandten Bogenserien lagen der von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften herausgegebenen Wochenschrift zur Pflege von Heimat und Volkstum“ bei. Die Zeitschrift wurde von Amts wegen an alle Schulleitungen versandt. Die Bögen enthielten in der Regel etwa 30 kurze, prägnante Fragen. Der Umweg über Zettel entfiel, stattdessen wurden die Antworten auf den Bögen direkt vermerkt.

Die Enquête hatte Erfolg: Bogen für Bogen gab es einen Rücklauf von etwa 150 aus Franken, 250 aus Altbayern. Die Antworten wurden zur Datengrundlage für Kranzmayers Dialektatlas, der aber nie in der geplanten Form erschienen ist. Gegen Ende des zweiten Weltkriegs wurden die Druckplatten für die Karten bei einem Bombenangriff zerstört.

Ein großer Nachteil resultierte insbesondere in Franken daraus, dass die Verfasser ganz vom bairischen Dialekt ausgingen. Fragen, die auf lautliche Erscheinungen hinausliefen, setzten voraus, dass der gefragte Begriff überall mit dem gleichen Wort ausgedrückt wird. Ein anschauliches Beispiel für diese Fehlerquelle zeigt Bogen 17, wo mit Frage 1 bis 5 die mundartliche Umlauthinderung vor -ck untersucht werden soll. Dies geschah anhand von Wörtern wie Mücke (barisch mugga), Brücke (bairisch bruck), Rücken (bairisch ruck). Die Fragen sollten durch die wörtliche Wiedergabe in lokaler Lautung beantwortet werden.

Viele Gewährspersonen aus Franken waren der Ansicht, die Antwort solle eine sinngemäße Übersetzung des schriftsprachlich vorgegebenen Wortes sein. In Franken bedeutet das schriftsprachliche Mücke „Stubenfliege“, für „Stechmücke“ ist nur das Wort Schnake geläufig. Dem Gewährsmann aus Grub (siehe Abb.) erschien wohl die Antwort Muggn trivial, er gab daher das mundartliche Synonym Flöing „Fliege“ zu Protokoll. Das standardsprachliche Wort Rücken ist in den fränkischen Mundarten nicht geläufig und wird durch Buckel ersetzt. Dementsprechend antworteten die Gewährspersonen mit Formen wie Bukl oder Buggl. Das Wort Brücke ist in Orten, die nicht an einem größeren Fluss liegen, ebenfalls nicht geläufig. Inhaltlich am nächsten kommt noch Steg. Antworten, die dennoch das Wort Brücke wiedergeben, veranschaulichen fast immer den Umlaut Brück’n, Brick, Briggn. Für eine rein lautgeschichtliche Betrachtung des Phänomens Umlauthinderung sind derartige Belege unbrauchbar, da sie eine halbmundartliche standardnahe Lautung wiedergeben.